EM der Kadetten in Sarajevo: Saisonhöhepunkt wird zur Lehrstunde

Rang 17 für Eveline Lötscher und der 13. Platz für Miriam Lötscher. So lautet die ernüchternde Bilanz nach der ersten internationalen Bewährungsprobe für unsere beiden Nationalkaderathletinnen. Damit bleibt es für die ambitioniert gestarteten Athletinnen beim Minimalziel: Erfahrung sammeln. Der erklärte Saison-höhepunkt ist vorüber. Weit weg von den Medaillenrängen war die EM in Sarajevo trotzdem eine wertvolle Lehrstunde.

Nach Wochen und Monaten der Vorbereitung waren unsere Nationalkaderathletinnen Eveline und Miriam Lötscher am vergangenen Dienstag nach Sarajevo gereist, um sich dort bei den Europameisterschaften der Kadetten dem internationalen Vergleich zu stellen. Eveline war dabei in der Gewichtsklasse bis 56kg nominiert, Miriam in der Kategorie bis 60kg. Die Konkurrenz um Eveline bis 56kg startete mit den Qualifikationskämpfen bis hin zum Halbfinale bereits am Mittwoch, während Miriam noch einen zusätzlichen Tag zur Akklimatisierung nutzen konnte und erst am Donnerstag zu ihrem ersten Einsatz kam. Untergebracht war die gesamte Schweizerische Nationalkaderdelegation um Nationaltrainer Nico Ghita im Hotel Hollywood direkt neben dem Flughafen in Sarajevo. Für die Betreuung unsere Mädels war Viktor Meier mit nach Bosnien Herzegowina gereist.

Eveline mit einer Niederlage im ersten Kampf zwischen Hoffnung und Enttäuschung

Ungefähr zur gleichen Zeit, zu der die Maschine mit dem Schweizer Nationalkader zur Landung in Sarajevo ansetze, fand die Auslosung der ersten Begegnungen für die Gewichtsklasse bis 56kg statt. Das Los brachte dabei die Ukrainerin Violeta Petrovska als erste Gegnerin im Achtelfinale für Eveline hervor. Zunächst musste jedoch noch eine Verwechslung beim Weltverband UWW aufgeklärt werden: Die beiden Lötscher-Schwestern waren bei der Registrierung vertauscht worden, was spätestens bei der medizinischen Abnahme und beim Wiegen zu einem Problem geführt hätte. Der Fehler war jedoch schnell korrigiert.

 

Die erste Pflichtaufgabe für Eveline am Dienstagmorgen war das obligatorische Wiegen, das von 9.00 bis 9.30 stattfand. Danach waren für die grössere der beiden Schwestern alle formalen Voraussetzungen für den Wettkampfbeginn erfüllt.

 

Um 10.45 Uhr war es dann so weit. Im Kampf gegen Petrovska ging es für Eveline um die Qualifikation für das Viertelfinale. Die erste Kampfhälfte verlief sehr offen und beiden Kontrahentinnen gelang es zunächst nicht, entscheidende Impulse zu setzen. Eveline war jedoch die aktivere Ringerin, was zur Passivitätsverwarnung gegen Petrovska führte. In den 30 Sekunden, die der Ukrainerin blieben, um daraufhin einen Punkt zu machen, verhielt Eveline sich zunächst taktisch geschickt und hielt ihre Gegnerin, den Punktgewinn vor Augen, auf Distanz. Genau mit Ablauf der 30 Sekundenfrist liess sie sich jedoch am Mattenrand zu einem nicht sauber vorbereiteten Schulterschwung hinreissen, der ihrer Gegnerin in die Karten spielte und ihr zu einer Zweierwertung verhalft. Der Punktestand zur Kampfhälfte lautete damit 1:2 gegen Eveline.

Bildquelle: ringerspiegel.ch

Eveline startet daraufhin sehr motiviert in die zweite Kampfhälfte und versuchte die Kontrolle über das Kampfgeschehen zu gewinnen. Leider war es erneut ein nicht gut vorbereiteter Angriff, den ihre Gegnerin zu ihrem Vorteil nutzen konnte. Beim Versuch von Eveline einen Beinangriff zu lancieren reagierte die Ukrainerin blitzschnell mit einem Konterangriff. Mit der daraus folgenden Viererwertung war der vorläufige Zwischenstand von 1:6 jedoch das kleinere Problem. Aus der damit herbeigeführten Rückenlage konnte Eveline sich nicht mehr befreien, so dass der Kampf nach nur 46 Sekunden in der zweiten Hälfte durch Schulterniederlage verloren ging.

 

Es blieb die Hoffnung auf das weitere Abschneiden von Petrovska. Würde sie sich im weiteren Verlauf bis in den Final kämpfen, hätte Eveline die Chance auf die Repechage. Tatsächlich bezwang Petrovska in ihrem nächsten Duell die Französin Ameline Douarre mit dem knappsten aller mögliche Ergebnisse 1:0 nach Punkten. Im Halbfinal war jedoch dann auch für sie gegen Aleksandra Prokina (RUS) die Endstation erreicht. Beim Stand von 8:0 entschied die Russin den Kampf noch vorzeitig durch Schultersieg für sich.

 

Damit war das Ende des ersten Europameisterschaftseinsatzes für Eveline besiegelt. "Ich bin enttäuscht..." postete Eveline kurz darauf auf ihrem Facebookprofil. Aber auch, dass sie sich nun ganz auf die Unterstützung ihrer Schwester Miriam konzentrieren könne, die am Folgetag zu ihrer sportlichen Herausforderung antrat.  

Duplizität der Ereignisse am Donnerstag für Miriam

Für Miriam startete der Tag ebenfalls mit dem obligatorischen Wiegen. Bereits am Vorabend stand nach der Auslosung ihre Gegnerin fest. Die Ukrainerin Karyna Kolesnik durfte als starke Gegnerin eingeschätzt werden und stellte damit die hohe erste Hürde für Miriam in diesem Turnier dar.

 

Um 11.10 startete der Kampf. Bereits nach wenigen Sekunden konnte die sehr agil vorgehende Kolesnik zwei Zweierwertungen erzielen. Miriam konterte willensstark und erzielte einen Punkt zum zwischenzeitlichen 1:4. Die Geschwindigkeit der Ukrainerin war im weiteren Verlauf jedoch beeindruckend. Miriam gelang es nicht zu verhindern, mehrmals umlaufen zu werden und somit mehrere aufeinanderfolgende Zweierwertungen gegen sich zu erhalten. Im Bodenkampf verhinderte sie zwar lange einen weiteren Punktverlust durch eine Drehung, am Ende musste sie der kräftigen Gegnerin jedoch trotzdem nachgeben und eine weitere Zweierwertung hinnehmen. Beim Stand von 1:10 war Miriams Willen noch immer nicht gebrochen und sie versuchte hartnäckig einen Zugang zur Gegnerin zu finden und sich in die zweite Kampfhälfte zu retten. Leider gelang dies nicht. Im Gegenteil: Kolesnik gelang es ein weiteres Mal die Kontrolle über Miriam zu erlangen und erhielt dafür die verdiente Zweierwertung. Der Kampf war damit bereits kurz vor der Pause mit 1:12 durch technische Überlegenheit zu Gunsten der Ukrainerin entschieden.

 

Es blieb, wie bei Eveline am Vortag, die Hoffnung auf die Repechage. Dazu waren nun alle Augen auf den weiteren Turnierverlauf von Kolesnik gerichtet, die sich im nächsten Kampf (1/4 Finale) gegen die Norwegerin Laura Sofia Aak beweisen musste. Dort setzte sie sich mit dem gleichen, unerbittlich schnellen Kampfstil durch. Auch wenn die Norwegerin die zweite Kampfhälfte erreichte, unterlag sie dennoch ebenfalls durch technische Überlegenheit von Kolesnik. Am Abend lag der Fokus damit auf dem Halbfinal, in dem Kolesnik auf die Estin Viktoria Vesso traf. Auch wenn Kolesnik den Kampf bis kurz vor Ende der ersten Hälfte dominieren konnte, entschied dieses Mal die Estin das Halbfinal mit einem gekonnten Hüfter für sich. Damit war die Chance auf die Repechage für Miriam vergeben und das Turnier auch für sie beendet.

Und weiter?

Am Samstag reisen die beiden Schwestern zurück nach Hause. Die Erfahrungen und Eindrücke der vergangenen Tage aber auch der ganzen Vorbereitungsphase revue passieren zu lassen, wird in den nächsten Wochen ebenso wichtig sein, wie die Weiterführung der Kraft- und Techniktrainings. Immerhin stehen in der zu Ende gehenden Saison noch einige Nachwuchsturniere auf dem Programm.

 

Für Eveline ist die Zeit als Kadettin mit ihren jetzt 16 Jahren (wird im Oktober 17) mit diesem ersten Auftritt auf der internationalen Bühne des Nationalkaders beendet. Ab nächster Saison würde sie die Nationalfarben als Juniorin vertreten und damit als eine der Jüngsten auf erfahrene und nicht minder starke Konkurrenz treffen. Miriam hat sich mit ihrer Teilnahme in Sarajevo die ersten Sporen als Kadettin verdient und bekäme in den nächsten beiden Saisons weiterhin die Chance in dieser Altersklasse die gewonnenen Erfahrungen umzusetzen.

 

Die Ringerstaffel Sense ist stolz auf die Selektion der beiden Schwestern für den Nationalkader in dieser Saison. Das Trainerteam sowie der gesamte Verein haben alle verfügbaren Möglichkeiten ausgeschöpft, um spitzensportfähige Rahmenbedingungen zu schaffen und die beiden ideal auf diesen Saisonhöhepunkt vorzubereiten. Dieses System weiter zu optimieren und auszubauen ist das erklärte Ziel der Ringerstaffel Sense, um auch in Zukunft Athletinnen und Athleten aus den eigenen Reihen für den Nationalkader zu empfehlen.

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